Bei Bäcker Esaias konnte man ab 1929 gutes Brot kaufen
Bei Bäcker Esaias konnte man ab 1929 gutes Brot kaufen
Ernst Esaias sen. fing 1929 als Bäcker in Medenbach an und hatte zunächst den Backofen der Gastwirtschaft „Zum grünen Wald“, Neugasse 76, übernommen, einen gemauerten, altdeutschen Ofen.
Die Leute im Dorf erwarteten, dass ihr Bäcker ein gutes Mischbrot backte. „Ein sehr gutes Brot!“, erinnern sich viele Medenbacher. Nur diese eine Sorte gab es bei Bäcker Esaias. Ihre Zwetschen- und anderen Obstkuchen brachten die Medenbacher in der Sommer- und Herbstzeit auf großen Blechen zum Backen, der viele ausgetretene Saft wurde mit der Backweise des holzgefeuerten Ofens „weggebrannt“.
Die Bauern hatten ja eigenes Getreide. Dieses holte der Bruder des Bäckers, Müller in der Hockenberger Mühle, ab, mahlte es und gab für einen Zentner Getreide 35 Kilogramm Mehl. Bei diesem Tausch entstanden keine Kosten für den Bauern, behielt der Müller doch die Kleie. Der Sohn Ernst des damaligen Bäckers rechnete vor: „Um ein Brot von 1500 Gramm zu backen, brauchte man 1150 Gramm Mehl. Wenn dies in Jutesäcken beim Bäcker stand, wurde davon gebacken und ein Backlohn von 15 bis 20 Pfennig für ein Brot erhoben. Schlimm war es, wenn durch anhaltende Feuchtigkeit in der Reifezeit der Roggen auswuchs und keimte, dann konnte kein gutes Brot gebacken werden, es war „speckig“, weil die Eiweißstoffe durch das Keimen schon umgewandelt waren.
Im Jahr 1933 heiratete der Bäcker Emmi Kaiser aus der Obergasse. Bis 1939 der Krieg begann, gehörten schon drei kleine Kinder zur Familie.
Da war die Einberufung des Familienvaters zum Militärdienst im Jahr 1940 für seine Frau und die Kinder eine schwere Last: Die Bäckerei musste geschlossen werden. „Auch unser Auto, mit dem der Vater das Brot ausfuhr, wurde beschlagnahmt“, berichtet Ernst Esaias jun. „Und seit 1943 war unser Vater in Russland vermisst“. 1947 wurde der Bäcker aus der Gefangenschaft entlassen.
In den Jahren 1947/48 errichtete die Familie Esaias in dem Anwesen der Ehefrau in der Obergasse 48 (heute Fritz Erler-Str. 24), einen Anbau. Dieser hatte auch ein Mehllager und eine Backstube mit einem riesigen, steinernen, altdeutschen Backofen. 1948 wurde dort die Bäckerei eröffnet. Brot wurde weiter auch nach Kloppenheim und Auringen geliefert. Die Kinder fuhren dieses mit dem Fahrrad aus.
Sehr beliebt war bei den Medenbachern in der Nachkriegszeit, das Obst wie Mirabellen, Zwetschen und Apfelschnitzen zum Trocknen bei Bäcker Esaias auf Rosten abzugeben.
Von den Einnahmen aus der Bäckerei konnte die Familie nicht leben. Bereits vor dem Krieg wurde Kleinvieh gehalten: „Gaase, Hinkel, Gäns“, zeitweise auch eine Kuh. „Gut ging es uns in der >Schrottelzeit< und nach der Währungsreform.“
In den Fünfzigerjahren veränderte sich langsam das Sortiment, es wurden mehr Brötchen gebacken, auch Hefeteilchen konnten verkauft werden. Der noch nicht alte Backofen wurde gegen einen Stahlskelettofen ersetzt, der mit Diesel betrieben und ohne Pausen bestückt werden konnte. Verkauft wurde direkt aus der Backstube. In einem großen Schrank lagen dort die frisch gebackenen Brote.
Das Sortiment wurde erweitert. Als der Kundenstamm groß genug war, wurde vorn im Haus ein richtiges Ladengeschäft mit Kühltheke errichtet und 1961 eröffnet.
Auch Ernst Esaias jun. hatte Bäcker gelernt, danach in der Schweiz die Ausbildung als Konditor gemacht und in einem Café auf der Insel Sylt und bei zwei Wiesbadener Bäckern gearbeitet.1967 machte er noch die Meisterprüfung.
Die Bäckerei konnte inzwischen zwei Familien ernähren. 1973 übernahm der junge Meister mit seiner Ehefrau Hannelore das Geschäft, zweitweise arbeiteten beide Eltern noch umfangreich mit. Die Tankstelle erhielt täglich frische Brötchen. Torten und entsprechendes Backwerk wurden nachgefragt. Nach Fertigstellung der Rastanlagen kamen zur Brötchenlieferung Mürbegebäck und Berliner hinzu. Aber die Arbeitsbelastung war hoch. Früh in der Nacht war Betrieb in der Backstube. Pünktlich bis 6.00 Uhr erhielten die Raststätten ihre große Lieferung. Auch der HL-Markt „Auf den Erlen“ wurde beliefert sowie ein Lebensmittelgeschäft in Wildsachsen, und in den Siebzigerjahren wurden die Mühlen in der Umgebung zweimal wöchentlich direkt versorgt.
Von den Kindern wollte keines das Geschäft weiterführen. Der Arbeitsumfang war sehr hoch, geeignete Mitarbeiter waren nicht leicht zu finden. Das Geschäft stand in voller Blüte. Es war hoch angesehen für seine Qualität und die Pünktlichkeit bei Lieferungen.
1991 gaben Ernst Esaias jun. und Ehefrau Hannelore die Bäckerei auf und verpachteten sie an die Bäckerei Schießer aus Wallau, die mehrere Filialen betrieb. Als diese 2005 ihre Medenbacher Verkaufsstelle schloss, folgte noch ein Jahresvertrag mit der Bäckerei Schäfer. Aber: Die Umstrukturierung im Backgewerbe war in vollem Gange. Große Backfabriken mit vielen Verkaufsstellen öffneten. Seit 2006 gibt es in der ehemaligen Obergasse keine Bäckerei mehr.