Alte Schule - Altes Rathaus
Alte Schule - Altes Rathaus
Schulmeister, die Schneider waren und große räumliche Enge im Schulhaus
Die“ Geschichte der Medenbacher Volksschule wurde bisher nicht geschrieben, da die andernorts oft noch vorhandenen Schulchroniken über zwei- bis dreihundert Jahre hier verloren gegangen sind.
Aber blicken wir zunächst weit in die Vergangenheit: Bereits im frühen Mittelalter gab es Schulen, die Kloster- und Domschulen. Neben Lesen und Schreiben der lateinischen Sprache wurden religiöse Kenntnisse für die zukünftigen Priester und Mönche vermittelt. Als sich im 12 .und 13. Jahrhundert die Städte entwickelten und Kaufleute im Fernhandel tätig wurden, mussten Briefe geschrieben, Rechnungen erstellt und Verträge verfasst werden. Es entstanden städtische Schulen, die spezifisches Wissen für Handel und Gewerbe lehrten: Rechenschulen sowie Schreib- und Leseschulen.
Die Reformation im 16. Jahrhundert brachte der Schulentwicklung dann eine hohe Dynamik. In seinem Bestreben, dass alle Christen die Bibel in ihrer Muttersprache lesen sollten, setzte sich Martin Luther dafür ein, dass Schulen eingerichtet und der Schulbesuch der Kinder überwacht werde. Lesen und Schreiben wurde in deutscher Sprache gelehrt, bevor mit dem Lateinunterricht begonnen wurde. Das „niedere Schulwesen“ (für beispielsweise Handwerkerkinder) wurde zur Angelegenheit der Gemeinden.
Dem Landesherrn Moritz von Hessen-Kassel (der „Gelehrte“), der in seinen Dörfern Schulen einrichten ließ, verdankt Medenbach seine Schule. Er war umfassend gebildet, soll acht Sprachen gesprochen haben und war auch naturwissenschaftlich interessiert. Er war von Philipp Melanchthon beeinflusst, der als Reformator neben Martin Luther eine treibende Kraft der Reformation war und auch „Praeceptor Germaniae“ (Lehrer Deutschlands) genannt wurde. Belegt ist, dass 1621 Herrmann Papa als Lehrer in Medenbach tätig war und sich dort 1628 noch befand. Er war der einzige Lehrer der Herrschaft, der bei der Visitation ein Gewerbe hatte, er war Schneider.
Wie der Unterricht in Medenbach stattfand - wir wissen es nicht genau. Aus der allgemeinen Geschichte ist bekannt, dass die Umstände erbärmlich waren. Häufig fand der Unterricht in der Wohnung des Schulmeisters statt, in der sich auch seine Familie und das Vieh befanden – gegen kostenlose Unterkunft und Verpflegung. Zudem wurde nur in den Wintermonaten beziehungsweise an Sonntagen im Anschluss an den Gottesdienst unterrichtet, da die Eltern ihre Kinder in Frühjahr, Sommer und Herbst bei der täglichen Arbeit benötigten. Im Vergleich mit dem Ausbildungsniveau der städtischen Elementarschulen blieb das ländliche Schulwesen stark unterentwickelt und erreichte nur in Grundzügen das angestrebte Niveau.
Der im 20. Jahrhundert lange Zeit in Medenbach unterrichtende Lehrer Ernst Pfeiffer hat seinen Schülern die Vergangenheit wie folgt geschildert: „Von 1682 bis 1715 war Johann Michel Pracht Lehrer in Medenbach. Freilich sah seine Schule innerlich und äußerlich etwas anders aus als Schulen heute: Am Fenster der Stube stand der Tisch, auf dem der Lehrer morgens mit Elle, Nadel und Zwirn sein Tagewerk begann. Er war im Hauptberuf Schneider. Der übrige Raum war ausgefüllt mit Schulbänken. Nach und nach erschienen dann die Kinder. Es bestand ja kein Schulzwang. Die Kinder konnten kommen und gehen, wann sie wollten. Notdürftig lernten sie Schreiben, Lesen, Rechnen und etwas Religion. Waren sie ungezogen, so konnten sie Bekanntschaft mit der Elle machen. Die Besoldung des Lehrers war ungefähr 20 Gulden, das sind 34 Mark im Jahr. Jedes Kind musste täglich im Winter zur Heizung ein Scheit Holz mitbringen. Der Raum über dem Schulsaal war die Wohnung des Lehrers.“
1755 ordnete die hessische Regierung die allgemeine Schulpflicht an. Der Begriff Volksschule wurde 1779 erstmals erwähnt. Von da ab wurde auch vom Lehrer eine gewisse Schulbildung verlangt. Die Gemeinde war für die Besoldung des Lehrers zuständig. Dieser Pflicht konnte sie nicht immer nachkommen. Die Schulaufsicht unterstand zu dieser Zeit der Kirche. Sie wurde in der Person des Pfarrers als Schulinspektor wahrgenommen.
In den Nassauischen Annalen von 1998 findet sich in der Veröffentlichung von Otto Renkhoff und Helmut Dauber über „Medenbach bei Wiesbaden“ ein kleines Kapitel über „Kirche und Schule“. Hier sind alle Lehrer der vergangenen 200 Jahre namentlich aufgeführt.
Als Schulgebäude diente im 19. Jahrhundert das heute sehr schöne Fachwerkgebäude gegenüber der Kirche in der Fritz-Erler-Straße 9, seit 1965 im Besitz der Familie Wagner. Es stammt aus dem 17./18. Jahrhundert und war als Schulgebäude sehr klein. Die Schulstube soll im Jahr 1820 64 Kindern als Lehrsaal gedient haben, kaum vorstellbar! Der über der Schulstube gelegene 144 Quadratfuß große Raum war die Wohnung des Lehrers (10 Quadratfuß sind 0,929 qm). Nicht verwunderlich, dass 1818 zwei Lehrer die Übernahme der Schulstelle wegen der Wohnverhältnisse ablehnten.
Otto Renkhoff:„1822 erfolgte ein zweistöckiger Anbau, um Lehrerwohnung und Lehrzimmer zu vergrößern. Dennoch war das Schulzimmer nur 28 qm groß. Die Lehrerwohnung wird als beschränkt bezeichnet, so dass die Regierung in Wiesbaden 1877 einen Neubau anmahnte. Wie schon in früheren Jahren lehnte die Gemeinde aus Kostengründen ab und brachte, um Zeit zu gewinnen, andere Lösungsvarianten ins Spiel. Dennoch verstand es die Gemeinde, die Angelegenheit weiter zu verschleppen. Erst 1907 erwarb man ein Wohnhaus in der Neugasse 74, der heutigen Neufeldstraße 9 und richtete es als Schulhaus ein.“ Das bisherige Schulgebäude wurde Rathaus (im Dorf „altes Rathaus“ genannt). In einem Raum war zeitweise eine zweite Schulklasse.
Die Freude, endlich der erdrückenden Enge zu entkommen, muss bei dem damaligen, langjährigen Lehrer Ebertshäuser und seinen Schülern riesengroß gewesen sein.