Gebäude 4.2

Evangelische Kirche - Pfarrer Heinrich Brumm

Pfarrer Heinrich Brumm – Pfarrer in Medenbach während der Zeit des Nationalsozialismus – Aufrecht im Glauben und unerschrocken

Pfarrer Heinrich Brumm wurde am 9. Juni 1888 in Roth im Unterlahnkreis geboren. Sein Vater war dort Lehrer. Nach verschiedenen Dienstorten bewarb er sich um die Pfarrstelle in den Gemeinden Breckenheim, Medenbach und Wildsachsen und begann seine Tätigkeit am 11. Januar 1931. Pfarrer Brumm war verheiratet und hatte zwei Söhne und eine Tochter. Das Pfarrhaus stand in Breckenheim. Wenn die Filialgemeinden besucht wurden und die Wetterverhältnisse und der Straßenzustand es zuließen, kam der Pfarrer nicht zu Fuß, sondern nutzte sein Fahrrad.

Das Arbeitspensum in drei Gemeinden war groß, die Wege kosteten Zeit, alle Kirchenvorstände waren zu hören, es sollte überall gepredigt werden, Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen waren zu leiten. Katechismus- und Konfirmandenstunde fanden in Medenbach und Breckenheim statt – eine große Anstrengung, da das Unterrichten dem Pfarrer nicht leicht fiel!

Auch der Kirchenbesuch in Medenbach ließ zu wünschen übrig. In seiner Chronik heißt es: „Am Sonntag, dem 24. Juli 1932, war zu dem Gottesdienst, der vormittags sein sollte, niemand außer Küster und Organist gekommen, weil an dem Tag ein Reiterfest veranstaltet wurde. (!) Auch zu der nach dem Gottesdienst anberaumten Sitzung des Kirchenvorstandes war niemand erschienen. Aber auch an anderen Sonntagen waren in einigen Fällen so wenig Gemeindeglieder gekommen, dass ein Gottesdienst nicht gestaltet werden konnte.“

Ausführlich hat er über die politischen Verhältnisse nach Hitlers Machtübernahme und seine Rolle berichtet: „In Breckenheim wurde abends ein Fackelzug veranstaltet, nachdem ich auf dem Schulplatz eine Ansprache an die Gemeinde richtete. Auch der Geburtstag des Reichkanzlers am 20. April wurde durch einen Fackelzug gefeiert, auch bei diesem Anlass habe ich eine Ansprache gehalten, wobei ich einen Lebensabriss gab und Hitler als Führer des deutschen Volkes in seinem Dienst am Volk aufzeigte. In noch stärkerem Maß wurde die Feier des 1. Mai eine große Angelegenheit.“

Diese hoffnungsvolle Stimmung hielt bei vielen Kirchenleuten nur kurz an. Die Auflösung der kirchlichen Körperschaften waren die ersten deutlichen Warnsignale für das Kommende. Als die politischen Vorgaben bei den Kirchenwahlen zu einer „Reichskirche“ führen sollten, fragte Pfarrer Brumm sich bald, „ob nicht die geistigen Grundlagen der christlichen Kirche verlassen und die Kirche umgestaltet würde, um als Teil eines politischen Systems zu fungieren.“ Am 9. November 1934 beantragte er seine Aufnahme in die „Bekennende Kirche“.

Kurz danach wurde er von Landjäger Eisemann aus Wallau am Telefon gewarnt, die Erklärung der „Bekennenden Kirche“ im Gottesdienst zu verlesen, die Geheime Staatspolizei habe dies verboten. Es folgten Schikanen und Einschüchterungsversuche in den folgenden Jahren, insbesondere dann, wenn er sich für Andere oder sein Glaubensverständnis einsetzte. Pfarrer Brumm war für einige in der Gemeinde jetzt politisch auffällig und stand unter Beobachtung.

Es gab große Spannungen mit dem neu gewählten Kirchenvorstand, der inzwischen fast ausschließlich „national gefestigte“ Mitglieder hatte und versuchte den langjährigen Organisten Feuerbach zu kündigen („Der alte Feuerbach ist ein Marxist. Und der Pfarrer hält Propagandareden auf den jungen Feuerbach.“) Lehrer Heinrich Kamme, überzeugter Nationalsozialist, erschwerte Pfarrer Brumm die Durchführung des Konfirmandenunterrichts, denunzierte auch den Lehrer Feuerbach. Eine neu gegründete Kriegerkameradschaft trat bei kirchlichen Beerdigungen nach dem Pfarrer mit freidenkerischen Gedanken von Glauben, Sterben und Nachruhm auf.

In der Pfarrerchronik finden sich eine Fülle von Beispielen, wie Pfarrer Brumm schikaniert und bedrängt wurde. Mutig hat er sich dem entgegengestellt:

Die Durchführung der Konfirmandenstunden wurde erschwert. So konnte am Montag, dem 24. Februar 1936 die Konfirmandenstunde nicht stattfinden, weil Lehrer Kamme die Oberklasse zur Rundfunkübertragung des Rosenmontagszuges in die Schule bestellt hatte.

Am 13. Dezember 1937 erhielt Pfarrer Brumm ein auf den 12. November datiertes Schreiben des Landrats folgenden Wortlauts: „In der Ermittlungssache gegen Sie, weil weder die Kirche noch das Pfarramt am 9. November beflaggt war, bitte ich Sie zur Vernehmung am Mittwoch, dem 14. November 1937 vormittags zwischen 10.00 und 11.00 Uhr bei mir zu erscheinen“. Eine rechtliche Verpflichtung hierzu bestand damals nicht.

Eine Gruppe Anhänger der Reichskirche ließ von ihrem Vorsitzenden Heinrich Schwarz III. einen Brief an den Pfarrer schreiben, sie seien auch Mitglieder der Kirchengemeinde, hätten auch Besitzanteil an der Kirche und wünschten alle 14 Tage einen eigenen Gottesdienst in der Breckenheimer Kirche zu haben. Pfarrer Brumm:“ Ich lud den Kirchenvorstand zu einer Sitzung, zu der nur zwei Mitglieder erschienen. Diesen erklärte ich, ich sei durch meine Ordination und als Pfarrer dieser Gemeinde in meinem Gewissen gebunden, ihr das Evangelium zu predigen auf Grund der Heiligen Schrift des alten und neuen Testaments gemäß der Lehre der Reformatoren und der Bekenntnisschriften, müsse deshalb die Gemeinde warnen vor der Lehre der D.C. und sie ermahnen, bei dem richtigen evangelischen Glauben zu bleiben. Dem Kirchendiener schärfte ich ein, die Kirche verschlossen zu halten und niemandem den Schlüssel auszuhändigen.“

Ein Ereignis während der Konfirmandenstunde, die schon lange nicht mehr in der Schule stattfinden durfte und in der Breckenheimer Kirche am 7. Dezember 1941 stattfand, führte zur Verhaftung des Pfarrers.
Er hatte sich durch schlechtes Benehmen der Konfirmanden zu dem Ausspruch: „Ihr seid ja verseuchte Bolschewisten“ hinreißen lassen. Schüler und Eltern wussten, welch übles Volk die Bolschewisten seien. Eine Schülerin war besonders empört: „Mein Bruder kämpft in Russland gegen die Bolschewisten.“

Man sah die Chance, den Pfarrer der Bekennenden Kirche vielleicht loszuwerden. Die besonders betroffene Schülerin hat von dem Vorfall ihrem Bruder nach Russland geschrieben, der zurückschrieb, er wünsche sich aber, dass seine Schwester in der Konfirmandenstunde bliebe und konfirmiert werde. So geschah es.

Aber Pfarrer Brumm wurde am 18,5.1942 verhaftet, kam ins Gefängnis nach Wiesbaden und Frankfurt und wurde vielfach von der geheimen Staatspolizei verhört. Er hatte Glück. Nach vier Wochen wurde er entlassen.

In den folgenden drei Kriegsjahren versuchte er Konflikte mit der Staatsmacht zu vermeiden, insbesondere auch mit Rücksicht auf seine Familie.

Hier war von einem Menschen zu berichten, der „Aufrecht im Glauben“ und unerschrocken als Pfarrer der Bekennenden Kirche seinen Auftrag erfüllte und dabei von eifernden, nationalsozialistisch gesinnten Mitbürgern angezeigt und schikaniert wurde, wie es nicht selten auch anderen Pfarrern der Bekennenden Kirche erging. Knapp die Hälfte der Geistlichen bekannte sich zu dieser. Anerkennung erfuhr Pfarrer Brumm in seinen Gemeinden von vielen Menschen, eher im persönlichen Gespräch und Bekenntnis – ganz wichtig für seinen Auftrag – weniger öffentlich aus Angst und Sorge um eigene Nachteile und Unversehrtheit. Pfarrer Heinrich Brumms Leben und langes Wirken regt zur Beschäftigung mit der totalitären, menschenverachtenden Herrschaft des Nationalsozialismus an und  kann als Vorbild verstanden werden.

Pfarrer Brumm war bis 1954 Pfarrer in Medenbach, dann noch drei Jahre bis zu seiner Pensionierung in Breckenheim und Wildsachsen. Am 12.1.1972 ist er in Rastatt verstorben.