Gebäude 2
Die Spar- und Darlehenskasse
Mit banküblichem Geldverkehr hatte die Genossenschaft zunächst wenig zu tun. In der Idee folgte sie dem Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts als Bürgermeister einen „Spar- und Konsumverein“ gründete, um die Hungersnot nach einer Missernte in seinem Westerwalddorf zu lindern. Die Macht der Wucherer wurde durch die örtliche Selbsthilfeorganisation gebrochen und der gemeinsame Bezug von Saatgut verbilligte den Einkauf. Ohne größere Bürokratie gingen die Medenbacher Genossen daran, Saatgut und Dünger gemeinsam günstiger zu beziehen und quasi im Tausch mit der späteren Ernte zu bezahlen, die wiederum gemeinsam vermarktet wurde. Man sprach von einem „Grünen Kredit“. Zur Abrechnung wurde ein Büchlein geführt.
Rudi Noll erinnert sich an einen beliebten Ausspruch in früherer Zeit: „Zwischen Ostern und Pfingsten hat de Bauer am wingsten. Kurz denoch is aach noch net vill do.“ Natürlich haben die Medenbacher Bauern landwirtschaftliche Produkte auch direkt verkauft: Milch an die Molkerei, Äpfel an Kunden in der Umgebung und an Keltereien. Auch Kartoffeln wurden in größerem Umfang direkt an die Haushalte geliefert (wie man es heute noch von Kartoffelbauer Harald Noll in Medenbach kennt). Ernst Dambmann hat vor dem Krieg Kartoffeln nach Niedernhausen, Ober- und Niederjosbach gefahren. Die Obstannahmestelle der Gartenbauzentrale in Wiesbaden, bis 1945 von August Jakob Noll und danach von Georg Engel betrieben, half bei der Vermarktung des Obstes von den Baumstücken und aus den Gärten.
Während des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren unterlag die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln strengen Auflagen. Die Landwirte hatten von allen Produkten bestimmte Mengen abzuliefern und nach Berücksichtigung ihres Eigenbedarfes nur noch wenig Spielräume für einen Verkauf, der in diesen Jahren oft zu einem Tausch wurde.
Als Karl Kugler am 3. Juni 1949 die Geschäftsführung der Genossenschaft und alle anfallenden Aufgaben übernahm, hatte die Währungsreform von 1948 bereits zur Belebung der wirtschaftlichen Aktivitäten geführt, von denen auch die Landwirte profitierten: „Damals gab es noch kein richtiges Warenlager. Von unserem Hofnachbarn haben wir das Seitengebäude bekommen. In geringem Umfang wurde dort Kleie, Sojaschrot, Sämereien (Dickwurz, Klee) und Zusatzfuttermittel für Mastschweine gelagert und verkauft“, erinnert sich Alfred Kugler, Sohn des ehemaligen Geschäftsführers. Ernst Dambmann bezog damals bereits Dünger über die Genossenschaft. Dieser wurde im Güterwagen am Bahnhof angeliefert, von den Bauern ausgeladen und mit den Pferdefuhrwerken nach Hause gebracht.
Am 1.10.1953 nahm die Spar- und Darlehenskasse eine von ihr finanzierte Gemeinschaftswaschanlage, Kosten 11.000 DM, in Betrieb. Sie war in einem Anbau der Milchsammelstelle untergebracht. Die beiden Waschmaschinen konnten 15 kg bzw. 8 kg Trockenwäsche aufnehmen. Es stand auch eine Schleuder zur Verfügung. Besonders für die Bauern- und Handwerkerfamilien mit ihrem großen Aufkommen an Schmutzwäsche war die Anlage zu dieser Zeit eine große Erleichterung, fanden sich doch elektrische Wachmaschinen noch nicht in den Privathäusern. Interessant ist auch, dass damals nur Erna Wagner und Frieda Damm die Bedienung der Geräte abwechselnd übernahmen.
Es wurde eine Lagerhalle benötigt. Ein geeignetes Grundstück, auf dem sich ein ehemaliges Löschwasserbassin befand, konnte in der damaligen Neustraße erworben werden. Hier errichtete man nun Anfang der sechziger Jahre ein Gebäude mit Lager, Anlieferrampe, Keller, und Büro. „Das Lagerhaus der Spar- und Darlehenskasse haben wir dem rührigen Bürgermeister Kugler zu verdanken“ ist sich Ernst Dambmann sicher. Denn der Geschäftsführer war inzwischen auch wieder Medenbacher Bürgermeister. „Früher hatten die Bauern nach der Ernte und dem Dreschen ihr Getreide in der Scheune in Säcken gestapelt und gelagert. Die Firma Schäfer in Bierstadt organisierte mit ihrem LKW den Transport zur Großmühle (Thylmann in Kilianstädten) oder brachte es jetzt zum Genossenschaftslager. Die Säcke konnten leicht an der Rampe abgeladen, gelagert und wieder abtransportiert werden. Wer bei der Genossenschaft im Soll stand, hat’s abgeliefert. Wer schuldenfrei war und Platz hatte, hat auf bessere Preise gewartet und später direkt verkauft.
Inzwischen war der Düngemittelvertrieb angewachsen und auch der Sparbetrieb gehörte jetzt zum Geschäftsumfang“, kann Alfred Kugler noch berichten und fährt fort: „Als mein Vater Karl überraschend im Februar 1966 verstarb, übernahm ich bis zum Herbst des Jahres die Geschäftsführung vertretungsweise, konnte aber nicht dauerhaft beschäftigt werden, da neue Vorgaben eine kaufmännische Lehre für den Geschäftsführer vorschrieben.“
Die Spar- und Darlehenskasse Medenbach fusionierte mit der Spar- und Darlehenskasse Nordenstadt. Dort war jetzt die Buchhaltung, verantwortlich dafür Günter Renneisen. Ernst Dambmann gehörte in Nordenstadt zum Vorstand.
Artur Göbel wurde für den Verkauf in Medenbach eingestellt. Das Büro wurde nicht mehr benötigt und zu einer Bankzweigstelle umgebaut. Das Warenlager hatte sich inzwischen stärker auch auf Gartenbedarf eingestellt. Der in den fünfziger Jahren angeschaffte Saatgutreiniger, ursprünglich im Anbau der Turnhalle, dann im Dorfgemeinschaftshaus untergebracht, befand sich jetzt im Genossenschaftslager. In diesem Gerät wurde das Saatgut gereinigt und mit Keresan, einem quecksilberhaltigen Mittel gebeizt, um Pilzkrankheiten vorzubeugen. Artur Göbel war hierfür zuständig.
Nach eineinhalb Jahrzehnten Aufschwung stagnierte der Umsatz im Medenbacher Warenlager und wurde rückläufig. Insbesondere die Viehhaltung (Milchvieh und Schweinemast) war im Dorf sehr zurückgegangen. Viele Betriebe wurden nur noch nebenberuflich weitergeführt. Der ehemalige selbstständige Landwirt hatte bei der Tank- und Rastanlage, bei Behörden oder Verwaltungen eine Arbeit übernommen.
Bis 1979 war der Umsatz so erheblich eigebrochen, dass das Warenlager aufgegeben werden musste. Die Bankzweigstelle („Raiffeisenbank“) blieb noch einige Zeit dort, bis sie in das Erdgeschoss der ehemaligen Gastwirtschaft „Zum Schwanen“ umzog. Die Filiale war halbtags besetzt und Konkurrenz bestand auch zur länger am Ort vertretenen Nassauischen Sparkasse. Als 1989 alle Bankstellen an das Raiffeisen-Rechenzentrum angeschlossen werden sollten, lohnten sich die hohen Installationskosten nicht und die Zweigstelle wurde geschlossen. Die Aufgaben wurden der damals noch geöffneten Zweigstelle Auringen übertragen.
Das Gebäude der Spar- und Darlehenskasse wurde verkauft und zu Wohnzwecken umgebaut.